Zur Frage der Hemmung der Verjährung durch mehrmals unterbrochenen und wiederaufgenommenen Verhandlungen

OLG Hamm, Urteil vom 30.03.2012 – I-19 U 186/11, 19 U 186/11

1. Zur Frage der Hemmung der Verjährung durch Verhandlungen, die nach wiederholten und längeren Unterbrechungen mehrmals wieder aufgenommen werden.

2. Keine Verklammerung zu einem auch die Zwischenräume zwischen unterbrochenen Verhandlungen umfassenden Hemmungstatbestand durch wiederholt gezeigte Gesprächsbereitschaft.

(Leitsätze des Gerichts)

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 11. August 2011 verkündete Urteil der Zivilkammer IV des Landgerichts Detmold wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, ebenso wie das vorgenannte Urteil des Landgerichts.

Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe

I.

1

Gemäß § 540 I ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen, soweit sich aus dem Nachfolgenden nichts anderes ergibt.

2

Mit der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung wendet die Klägerin ein, dass ihre Forderung entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht verjährt sei. Zum Verjährungsbeginn gebe der Parteivortrag eine Übereinstimmung dahin her, dass die Frist erst ab Anfang 2005 begonnen habe. Außerdem hätten sich die vorgetragenen Verhandlungen zwischen den Parteien nicht nur auf die von der Beklagten geltend gemachten Gegenrechte bezogen, sondern auch auf die Zahlungsforderung der Klägerin. Die dadurch bewirkte Hemmung der Verjährung sei mangels eindeutiger Weigerung der Beklagten, weiter zu verhandeln, bis zur Klageeinreichung im Dezember 2010 nicht beendet worden. Die Überlegungen des Landgerichts zur Frage eines Anerkenntnisses der Beklagten seien im übrigen unverständlich.

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Die Klägerin beantragt,

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das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

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1. an sie 113.669,31 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.6.2006 zu zahlen,

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2. an sie vorgerichtliche Mahnauslagen in Höhe von 1.093,25 € zu zahlen.

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Die Beklagten beantragen,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie verteidigen das angefochtene Urteil und wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

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Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Erklärungen zu Protokoll Bezug genommen.

II.

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Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

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Das Landgericht hat die Klage auf Restvergütung für die gelieferte Brauanlage zu Recht abgewiesen, weil die Forderung verjährt ist (§ 214 BGB).

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Anspruchsgrundlage für die Forderung ist Nr. 15 des Vertrages der Parteien vom 23.3.2004 (Anlage B 1, S. 70); danach sind die restlichen 10 % der Vergütung nach Inbetriebnahme der Brauanlage, jedoch nicht später als drei Monate nach Lieferung zahlbar.

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1. Die dreijährige Regelverjährung beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Forderung fällig geworden und damit der Zahlungsanspruch entstanden ist (§§ 195, 199 I BGB). Das Landgericht hat die Verjährung zutreffend ausgehend von einem Beginn der Verjährungsfrist ab 1.1.2005 berechnet, weil die Anlage nach beiderseitigem Vortrag noch 2004 in Betrieb genommen worden und damit die Fälligkeit ausgelöst worden ist; die Alternative ‚jedoch nicht später als drei Monate nach Lieferung‘ greift als Auffangtatbestand nicht ein. Dahinstehen kann, ob hier laut Beklagtenvortrag ein Werkvertrag vorliegt, was sich die Klägerin jetzt möglicherweise zu eigen machen will: das Vorliegen einer Abnahme der Leistung der Klägerin kann dahinstehen, weil dies nach der vorgehenden vertraglichen Vereinbarung der Parteien keine Fälligkeitsvoraussetzung ist. Selbst wenn man abgesehen davon alternativ auf den Zeitpunkt spätestens drei Monate nach Lieferung abstellen wollte, ergibt sich nichts anderes. Zur Lieferung haben die Parteien gem. Nr. 12 des Vertrages (Anlage B 1 S. 66) ‚CIP Detmold‘ vereinbart. Das bedeutet als Incoterm (Baumbach/Hopt, HGB, 34. A., § 346 Rz. 40 ‚CIP‘ und Incoterms (6) Nr. 8), dass die Ware durch den Lieferanten frachtfrei versichert per Frachtführer (hier LKW) an den Erwerber versandt wird. Die Versendungsmodalitäten müssen hier dabei nicht vertieft werden, denn jedenfalls ist danach die Lieferung, wenn nicht schon bei Übergabe durch die Klägerin an den Frachtführer, dann spätestens bei dessen Anlieferung am Bestimmungsort bei den Beklagten erfolgt. Dies geschah nach eigenem Vortrag der Klägerin (Bl. 43 d.A.) noch Ende August 2004, spätestens Anfang September 2004, denn die Inbetriebnahme habe am 13.9.2004 begonnen und die Installation der Anlage bedurfte etwa dreier Wochen, wie im Termin erörtert. Ab dann drei Monate gerechnet war die Restvergütung spätestens Anfang Dezember 2004 zahlbar und damit ebenfalls fällig.

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Die Verjährung begann somit am 1.1.2005 und lief ursprünglich am 31.12.2007 ab.

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2. Eine hinreichende Hemmung der Verjährung ist nicht durch Verhandlungen der Parteien eingetreten (§ 203 BGB).

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Das Landgericht hat eine Hemmung insoweit verneint, weil die Verhandlungen sich nach der Korrespondenz nicht auf die Vergütungsforderung der Klägerin, sondern nur auf die Gegenforderungen der Beklagten wegen Mängeln bzw. wegen Lieferverzugs bezogen hätten. Zwar wird der Verhandlungsgegenstand nach dem Inhalt der vorgelegten Korrespondenz hier zunächst weiter zu fassen sein (a), allerdings im Konkreten mit keinem anderen Ergebnis (b).

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a) Die Frage der Mängel und ihrer Erledigung hing naturgemäß mit der Frage zusammen, ob und inwieweit die Klägerin noch restliche Vergütung verlangen könnte. So geht schon aus dem übereinstimmenden schriftsätzlichen Vorbringen hervor, dass die Parteien etwa im Telefonat der Anwälte vom 19.10.2006 über eine vergleichsweise Erledigung der Mängelfrage sprachen, was unmittelbare Auswirkung auf die Gesamtbereinigung und damit auch die Restzahlungsforderung der Klägerin gehabt hätte; und eben darum – ein ‚Zahlungsagreement‘- ging es zum Beispiel auch ausweislich der Anwaltsschreiben der Klägerin vom 23.1.2007 (Anlage B 17 S. 2), vom 26.2.2007 (Anlage B 18) und vom 14.8.2009 (Anlage B 21). Nach ständiger Rechtsprechung ist der Verhandlungsgegenstand weit auszulegen. Es genügt jeder Meinungsaustausch, wie hier, über einen Anspruch oder auch nur dessen tatsächliche Grundlagen, ohne dass der Gegner sofort erkennbar Verhandlungen ablehnt. Dass Vergleichsbereitschaft des Schuldners oder auch nur Erfolgsaussicht besteht, ist nicht erforderlich. Dabei wirkt die Hemmung auf den Zeitpunkt der ersten Geltendmachung des Anspruchs zurück (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 72. A., § 203 Rz. 2 f. m.w.N.).

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b) Allerdings sind die Umstände, unter denen eine Hemmung wieder endet, abweichend vom Vortrag der Klägerin nicht auf den Fall des definitiven Verhandlungsabbruchs durch den Schuldner (das sogenannte ‚doppelte Nein‘) beschränkt, sondern die Hemmung endet auch durch Einschlafenlassen der Verhandlungen, wenn der Gläubiger nicht den nächsten Schritt tut, der nach Treu und Glauben in der jeweiligen Situation von ihm zu erwarten war (vgl. Palandt, a.a.O., § 203 Rz. 4 m.w.N.).

20

Für das Jahr 2005 ist nichts vorgetragen, was Verhandlungen bezogen auf den Vergütungsanspruch begründet haben könnte, im Gegenteil gab es laut eigenem Vortrag der Klägerin hierüber keine Diskussion. Das erste Zahlungsaufforderungsschreiben der italienischen Anwälte der Klägerin erfolgte am 20.4.2006 (Anlage B 13) und führte nach rund 1 ½ Monaten zur Antwort der Beklagten vom 1.6.2006 (Anlage B 15), überschneidend mit der weiteren Zahlungsaufforderung der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 1.6.2006 (Anlage B 14). Die Antwort der Beklagten besagte allerdings bereits eindeutig, dass sie jede weitere Zahlung zur Zeit ablehnte, bis die Klägerin die von den Beklagten gerügten Mängel beseitigt habe und ferner übersteigende Gegenforderungen aufgrund Verzugsschäden der Beklagten eine Regelung gefunden hätten.

21

Bereits an dieser Stelle ist die Bedeutung festzuhalten, die dieser eindeutige Standpunkt, von dem die Beklagten ausweislich der gesamten nachfolgenden Korrespondenz nicht mehr abgerückt sind, für die Hemmungswirkung hat: Da ein klares Nein der Beklagten, wenn nicht ihre Bedingungen für eine Zahlung erfüllt wären, ausgesprochen war und im Folgenden weiter durchgehalten wurde, kann der Umstand, dass sie später – mit dieser Maßgabe – doch wieder und mehrfach zur Gesprächsbereitschaft fanden (s.u.) nicht zu einer Verklammerung der wiederholt und länger unterbrochenen Verhandlungen zu zeitlich einem, auch die Zwischenräume umfassenden, Hemmungstatbestand führen (vgl. Staudinger/Peters-Jacoby, BGB, 2009, § 203 Rz. 12). Da die Beklagten die Zahlung von vornherein und wiederholt unter Verweis darauf zurückbehielten, um eine Erledigung der Mängel herbeizuführen sowie die aufzurechnenden Schadensersatzansprüche zu regeln, bestand aus objektiver Sicht der Klägerin kein Anlass für ein Vertrauen darauf, dass sich die Beklagten nicht auf Verjährung berufen werden bzw. dass sie freiwillig, ohne Berücksichtigung ihrer Gegenansprüche, zahlen würden und die Klägerin ihr Ziel ohne gerichtliche Durchsetzung erreichen könne (vgl. OLG Hamburg BeckRS 2010, 004428 aE.).

22

Kommt es deshalb für die Hemmung auf die einzelnen Verhandlungsschritte an, war auf das Schreiben der Beklagten vom 1.6.2006 die nächste Reaktion der Klägerin nach spätestens zwei Monaten, also bis zum 1.8.2006, zu erwarten gewesen; dabei ist im Sinne eines Sicherheitsaufschlags berücksichtigt, dass unstreitig für die Klägerin in Italien gedolmetscht werden und ihr früherer Geschäftsführer T befragt werden musste, wobei der tatsächliche Zeitraum, wenn es zu Reaktionen der Parteien kam, ausweislich der erfolgten Korrespondenz kürzer, nämlich zwischen sechs und acht Wochen, war. Ausgehend davon ergeben sich dreieinhalb Monate Hemmung. Vorgetragen ist sodann das Telefonat der Anwälte vom 19.10.2006, in dem die Klägerin die Mängelliste anforderte, woran sich jeweils binnen zwei Monaten nach Klägervortrag Erinnerungen, die wechselseitige Übersendung von Mängellisten, über die unterschiedliche Standpunkte ausgetauscht wurden (Anlagen B 16, B 17), und weitere Verhandlungen (Anlage B 18) anschlossen, die in der Erklärung der Beklagten vom 6.3.2007 (Anlage B 19) endeten, dass die Mängel laut ihrer Mängelliste beseitigt werden müssten. Ab dann für die nächste zu erwartende Reaktion der Klägerin rund bis zum 19.5.2007 gerechnet, ergeben sich (ab dem Telefonat vom 19.10.2006) weitere sieben Monate Hemmung, also bis dahin insgesamt 10 ½ Monate. Aus der unstreitigen Rüge eines weiteren Mangels durch die Beklagte nebst Androhung der Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens am 4.9.2007 und Inverzugsetzung der Klägerin mit der Mängelbeseitigung gemäß Anwaltsschreiben der Beklagten vom 16.10.2007 (Anlage B 20) ergab sich nichts für eine Hemmung der Verjährung zugunsten der Klägerin, weil damit nur die Beklagte ihre Rechte wahrgenommen hat. Bei 10 ½ Monaten Hemmung reichte die Verjährungsfrist zunächst bis Mitte November 2008. Nach dem währenddessen seitens der Klägerin gemachten Angebot vom 2.5.2008 (Anlage K 10) zur Beseitigung von Mängeln, soweit solche vorhanden und von ihr zu verantworten seien, musste sie mangels jeglicher Reaktion der Beklagten und darin liegender Einstellung der Verhandlungen nach zwei Monaten (bis zum 2.7.2008) wieder initiativ werden. Das verlängert die Hemmung um zwei Monate auf insgesamt 12 ½ Monate, so dass die Verjährungsfrist Mitte Januar 2009 ablief und damit Verjährung eintrat; die Dreimonatsfrist ab Ende der Hemmung (§ 203 S. 2 BGB) endete noch vorher, nämlich zu rechnen ab 2.7.2008 (s.o.) am 2.10.2008.

23

Danach trägt die Klägerin, ohne dass etwas für ein zwischenzeitliches Verhandeln ersichtlich ist, hemmungsrelevante Umstände erst wieder für die Zeit ab ihrem Anwaltsschreiben vom 14.8.2009 (Anlage B 21) vor – worauf die Beklagte mit der Ablehnung der Ansprüche gemäß Anwaltsschreiben vom 29.9.2009 reagierte (Anlage K 11). Bereits das Klägerschreiben vom 14.8.2009 war jedoch zu spät, weil inzwischen die Verjährung eingetreten war. Dasselbe gilt erst recht für die am 20.12.2010 eingereichte Klage (1), die nicht mehr nach § 204 I Nr. 1 BGB hemmen konnte.

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3. Es ist auch nicht aufgrund Anerkenntnisses der Beklagten zu einem Neubeginn der Verjährung (§ 212 BGB) gekommen. Denn für die relevante Zeit innerhalb der oben dargestellten Verjährungsfrist ist ein solches Anerkenntnis nicht vorgetragen. Mit dem allenfalls dazu denkbaren Anwaltsschreiben der Beklagten vom 1.6.2006 (Anlage B 15) haben die Beklagten aber nicht erkennen lassen, dass sie sich gegenüber der Klägerin in der Zahlungsschuld sahen, sondern sie haben jede Zahlung abgelehnt, solange die Klägerin nicht die gerügten Mängel beseitigte und ihre Bedingungen erfüllte; das stellt gerade kein Anerkenntnis dar (BGH NJW 1969, 1108).

25

4. Die Nebenforderungen auf vorprozessuale Anwaltskosten sowie auf Zinsen sind entsprechend § 217 BGB mit der Hauptforderung verjährt.

III.

26

Die Entscheidungen zur Kostentragung und vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 97 I, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

27

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe gemäß § 543 II ZPO nicht vorliegen.

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